Expedition Antarctica

484 Tage bis ans Ende der Welt

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  • ISBN: 978-3492403795
  • Mein Rating: 7/10

In Expedition Antarctica erzählt die Autorin von ihrer Expedition vom Berner Oberland zum Südpol. Die Expedition führt sie zuerst mit dem Fahrrad nach Portugal. Mit dem Flugzeug geht es hinüber in die USA, wo sie die Radtour fortsetzt bis in den Süden Südamerikas. Von dort geht es – als Mitglied eines fünfköpfigen Teams – per Flugzeug zum Ausgangspunkt in der Antarktis, von wo aus sie mit Skiern und Schlitten zum Südpol aufbrechen.

Ich fand Expedition Antarctica einen faszinierenden Reisebericht. Besonders eindrücklich sind die letzten Tage vor dem Erreichen des Südpols beschrieben, als die Gruppe gegen die starke Erschöpfung ankämpfen muss. Nicht nachvollziehen konnte ich den Wechsel zu einem tagebuchartigen Schreibstil für den Antarktis-Teil, ich hätte einen einheitlichen Schreibstil bevorzugt. Weggelassen hätte ich das Kapitel über die Geschichte der Südpol-Expeditionen, es wirkt wie ein Fremdkörper und passt nicht zu den anderen Kapiteln.

Meine Notizen

Intro

Was ich auf Antarctica finden sollte, war eine Landschaft "reduced to the max". Heller, klarer, sonniger und reiner als alles, was ich je erlebt hatte. Es gibt nur ganz wenige Reize, aber die in schier unerträglichem Ausmass. Da ist der Himmel, das Eis, der Wind und die Kälte. Nichts sonst.

Die Jahre davor - 2002 bis 2006

Zu hohen Zielen gibt es keine Abkürzung.

Erfahrung kommt mit der Zeit und mit dem Weg.

Draussen in der Natur, wo es nur um "survival of the fittest" geht, bist du allein. Wenn du dich auf jemanden verlassen können musst, dann auf dein Material. Und natürlich auf dich.

Europäischer Prolog - Von Innertkirchen nach Porto - 1. September bis 17. Oktober 2006 - 2'400 Kilometer

Vor mir lag die Ungewissheit. 484 Tage Ungewissheit. 25'000 Kilometer Ungewissheit.

Ich winkte und winkte noch mal, und bevor mein Hexenhäuschen hinter der Kurve verschwand, die mich in die weite Welt hinaustragen sollte, drehte ich mich noch einmal um, verlor das Gleichgewicht, blieb in diesen Klickpedalen hängen – und, zack, fiel ich bereits auf den ersten dreissig Metern auf den Asphalt.

Wie oft habe ich [das Fahrrad] verflucht. Um die halbe Welt bin ich damit geradelt, aber es ist keine Liebe daraus gewachsen.

Ich war in mein Projekt verliebt: in die Idee, aber nicht die Ausführung. Das Rad war bloss ein Mittel zum Ziel.

[...] grosse Ziele [verlangen] immer auch Verzicht.

Auf nach Süden - Von Salt Lake City nach Peru - 7. November 2006 bis 24. Mai 2007 - 14'500 Kilometer

[...] spätestens in Lateinamerika wurde die Traumstrasse der Welt [gemeint ist die Panamericana] zur Albtraumstrasse der Welt. Der Verkehr, der Dreck, der Staub und der Lärm der Motoren, der Reifen und des dauernden Hupens übertrafen alles, was mich bereits in Europa genervt hatte.

Der Gestank und der Anblick der Tierkadaver, mit denen ich den Strassengraben hie und da ungewollt teilte, weckte nachhaltigen Ekel. Fliegen und Maden krochen aus Ohren, Nasen und Schnauzen von Kühen, Eseln, Schafen, Katzen, Ziegen, Hunden und Hühnern. Bloss Schweine scheinen schlau genug, sich nicht so oft überfahren zu lassen.

Fahrradfahren auf der Panamericana ist die nackte, ungeschönte Wirklichkeit der Begegnung mit der eigenen Verletzlichkeit. Mit Hunger, Durst und Müdigkeit, mit der ganzen Ungewissheit und mit allen Zweifeln, die einen auf einer Reise begleiten. Wenn nichts mehr ausser Einöde und Staub vorausliegen, wenn der letzte Schluck Wasser getrunken ist, das letzte Haferflöcklein gegessen, dann bleibt kein Raum für Träume von Abenteuern. Nicht einmal nachts.

Welch ein Glücksgefühl, zum Geburtstag in mutterseelenalleiniger Einsamkeit auf einem Berg von über 6'000 Metern zu stehen.

Durch Südamerikas Süden - Von Chile durch Argentinien nach Punta Arenas - 25. Mai bis 15. September 2007 - 7'000 Kilometer

Aufs Schneeradfahren hatte ich mich nicht vorbereitet, aber was sollte ich tun? Ich umfuhr die Sperre unerlaubt [...] und kämpfte mich verkehrsfrei zwischen Schneewänden die vereiste Passstrasse hoch.

Je näher Punta Arenas rückte, umso bewusster wurde mir, wie stark mich die vielen Tausend Kilometer auf dem Fahrrad bereicherten. Das Rad liess mich die Schönheit der Langsamkeit erfahren.

Der höchste Preis, den wir für die Bequemlichkeit unseres geregelten Lebens bezahlen, ist die Unfähigkeit, in der Wildnis überleben zu können.

Punta Arenas und Auszeit - 16. September bis 10. November 2007

Kraft und Gewicht zulegen war die erste Aufgabe. Kraft, um den Schlitten durch die antarktische Kälte zu schleppen, und Körpergewicht, weil es leichter fällt, Energiereserven im eigenen Körper als auf dem Schlitten mitzuführen.

Nun durfte ich Fleisch, Kartoffeln, Brot und Teigwaren à discrétion in mich hineinschaufeln. Nichts lag mir ferner als die weibliche Angst vor Polstern. Je fetter ich wurde, umso mehr Kalorien konnte ich auf dem Weg zum Südpol verbrennen. Von sechzig Kilo auf fünfundsiebzig zulegen, lautete die Aufgabe.

Unabhängig von allen Umständen und Voraussetzungen: Wenn du Erfolg haben willst, kämpfe darum. Mit deiner ganzen Kraft, unablässig – aber nicht unablässig an der Grenze deiner Möglichkeiten, sondern langfristig, unermüdlich. Manchmal musst du die Geschwindigkeit drosseln, Umwege machen, eine Pause einlegen, auftanken, andern den Vortritt lassen, das Vorgehen ändern, Kompromisse eingehen. Aber verlier das Ziel nicht aus den Augen.

Zugegeben, es war etwas waghalsig, zu einer so anspruchsvollen Expedition mit Leuten aufzubrechen, von denen ich nicht wusste, wie sie zusammenspielten und ob sie Vertrauen verdienten. Mir blieb nichts anderes übrig, als anzunehmen, dass es schon klappen würde.

Terra Australis Incognita - Eine kurze Abenteuer- und Entdeckungsgeschichte rund um den Südpol

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Antarctica - Von Patriot Hills über Hercules Inlet bis zum Südpol - 10. November bis 31. Dezember 2007 - 1'180 Kilometer, 3'000 Höhenmeter

Wenn auf dem Everest die Höhe zu schaffen macht, ist es in der Antarktis der Wind. [...] Unerbittlich, gnadenlos vom Pol Richtung Küste. Egal, aus welcher Richtung man sich diesem Pol nähert: Er nadelt, schneidet und beisst ins Gesicht, im Tandem mit der Kälte.

Sonnenschein rund um die Uhr. Daran hat man sich erst zu gewöhnen. Man mag noch so müde sein – es ist schwierig, den Schlaf zu finden. Die grelle Helligkeit elektrisiert die Sinne.

Die Bereitschaft, zu sterben, schliesst nicht aus, für sein Leben zu kämpfen. Jede Faser in mir will leben, aber wie zu jeder Sekunde des Lebens ist der Tod eine Möglichkeit.

Erfolg verlangt das Selbstvertrauen, richtig entschieden zu haben und für diesen Entscheid auch leiden zu können. Du brauchst die Gewissheit, dass du nicht allein bist. Und wer steht dir bedingungsloser zur Seite als du selber? Das habe ich noch nie so stark erlebt wie in den letzten Tagen vor dem Südpol.

Abends um halb sechs [...] kommen wir an. Endlich macht sich die ersehnte Erleichterung breit. Freude vermischt sich mit Traurigkeit, ein kaum beschreibbares Gefühl, denn wo ein Ziel erreicht ist, ist ein Traum verloren gegangen.

Der Reiz des Abenteuers liegt im Erleben. Im Freuen und Geniessen, aber auch im Kämpfen, Hoffen und Bangen, im Zweifeln und Leiden. Es ist der Weg, der den Abenteurer erhebt, erniedrigt und formt.