Unsere Welt neu denken

Eine Einladung

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  • Buch auf Amazon
  • ISBN: 978-3550200793
  • Mein Rating: 7/10

Worum geht es?

In Unsere Welt neu denken bietet die Autorin Denkanstösse, wie insbesondere die westlichen Gesellschaften angesichts des Klimawandels umdenken und zu einer nachhaltigeren Wirtschaftsweise finden müssen.

Mein Eindruck

Ich fand Unsere Welt neu denken ein interessantes Buch, welches zum Nachdenken anregt, indem die Autorin bestehende Denkweisen kritisch hinterfragt. Das Buch ist schnell gelesen, da es relativ kurz ausgefallen ist. Dies hat leider den Nachteil, dass die meisten Themen nur oberflächlich angeschnitten werden und ich mir eine vertieftere Betrachtung gewünscht hätte. Als störend empfand ich all die Gender-Sternchen.

Meine Notizen

Eine Einladung

In unserer heutigen Welt kommen nahezu gleichzeitig überall Systeme unter Druck, die über Jahrzehnte verlässlich funktioniert zu haben scheinen und die Menschheit Tag für Tag und immer umfassender mit Energie, Nahrung, Medikamenten und Sicherheit versorgten. Sie prägten eine Epoche, in der es, grob gesagt, von allem immer mehr gab. Wohlstand, auch für die Armen. Fortschritt, in allen Bereichen von Wissenschaft und Technik. Frieden, auch zwischen Ländern, deren politische Systeme grundverschieden sind. Wenn alles immer mehr wird, fallen auch Verteilungsfragen nicht so stark ins Gewicht. Das Erstaunen darüber, dass diese Epoche einmal enden könnte, der Widerstand, den der blosse Gedanke daran auslöst, und die Ratlosigkeit, was danach kommen könnte, zeigen, wie sehr wir uns an diesen Zustand gewöhnt haben, für wie normal wir ihn halten.

Unsere Gegenwart wirkt zerbrechlich, während unsere Zukunft unaufhaltsam auf jene Szenarien zuzulaufen scheint, die wir aus Weltuntergangsfilmen kennen.

[...] Zukunft ist nichts, was bloss vom Himmel fällt. Nichts, das einfach nur so passiert. Sie ist in vielen Teilen das Ergebnis unserer Entscheidungen.

Es mag sich so anfühlen, als habe sich unser Wirtschaftssystem ganz natürlich entwickelt, etwa wie sich einst Flora und Fauna ganz ohne unser Zutun entwickelt haben. Aber Systeme, die Menschen gemacht haben, funktionieren anders. Wir schätzen unsere Lage ein, geben uns Regeln und verändern damit unsere Situation. Diese Veränderung kann kulturell, marktbezogen oder auch einfach eine nationale Grenze sein, meist spielt mehreres zusammen. Selbst wenn wir diesen schöpferischen Anteil an unserer Realität im Alltag kaum mehr wahrnehmen oder rückverfolgen können, weil aus Ideen und Innovationen längst Gemeinplätze, Gesetze, Institutionen und Gewohnheiten geworden sind – es sind unsere selbst gemachten Regeln, aus denen die Welt, wie wir sie kennen und uns eingerichtet haben, besteht.

[...] wer nicht hinterfragt, was und warum er etwas tut, kann sich auch nicht entscheiden, anders zu handeln.

Die weltweiten Krisen in Umwelt und Gesellschaft sind kein Zufall. Sie offenbaren, wie wir mit uns und dem Planeten umgehen, auf dem wir leben. Wenn wir diese Krisen meistern wollen, müssen wir uns die Regeln bewusst machen, nach denen wir unser Wirtschaftssystem aufgebaut haben. Erst wenn wir sie erkennen, können wir sie auch verändern – und unsere Freiheit zurückgewinnen.

Eine neue Realität

Wer Zukunft erfolgreich gestalten will, sollte also damit anfangen, von dem auszugehen, was tatsächlich der Fall ist, und nicht von dem, wie es früher einmal war. Jahrtausendelang erlebten die Menschen die Erde als einen Planeten, der über unbegrenzte Ressourcen verfügte. War der Wald an einer Stelle gerodet, stand daneben schon der nächste. War das Wild gejagt, der See leer gefischt, das Bergwerk erschöpft, wich man eben an einen anderen Ort aus oder verlegte sich auf eine Ressource, die am bisherigen Ort ebenfalls zur Verfügung stand. Der Planet schien riesig zu sein. Es war immer möglich, auf die eine oder andere Art auszuweichen und sich etwas Neues zu erschliessen.

Das, was wir modernen Fortschritt nennen, ist im Prinzip nichts anderes als Ausbreiten und Ausbeuten. Expandieren und Extrahieren. Und solange dieses Modell funktionierte, solange wenige Menschen viel Planet gegenüberstanden, solange gab es keinen Grund, etwas daran zu ändern.

Expansion und Extraktion finden ein natürliches Ende, wenn der Natur mit ihren Ökosystemen die Fähigkeit genommen wird, sich verlässlich zu regenerieren. Die Wissenschaft bezeichnet das als sogenannte Kipp-Punkte oder planetare Grenzen. Wer in der Realität – und noch dazu einer sich gerade radikal verändernden – leben will, muss sie anerkennen, sonst lebt er oder sie in einer Scheinwelt.

Eine überzeugende absolute Entkopplung des ökonomischen Wachstums einer Volkswirtschaft von ihrem Umweltverbrauch steht weiterhin aus.

Während der Menschheit lange sehr viel Planet für wenig Mensch gegenüberstand, gibt es heute für immer mehr Menschen immer weniger Planet. Will die Menschheit nicht ihren eigenen Zusammenbruch herbeiführen, muss sie lernen, in einer vollen Welt zu wirtschaften, auf einem einzigen Planeten, mit begrenzten Ressourcen. Das ist eine neue Realität.

Natur und Leben

Der bedeutende Unterschied zwischen solchen Systemen, die der moderne Mensch baut, und solchen, die in der Natur vorkommen, ist, dass Letztere durch eine hohe Diversität gekennzeichnet sind und in einem Kreislauf funktionieren. Im natürlichen System gibt es niemanden, der etwas rausnimmt, ohne es nicht in einer weiter verwertbaren Form wieder zurückzugeben. Der Abfall des einen ist die Nahrung des anderen. Greift der moderne Mensch in so ein gewachsenes System ein, wird aus dem Kreislauf ein Förderband, das nur noch in eine Richtung läuft. Vorne wird abgebaut, dann verbraucht, und hinten entsteht Müll, der für niemanden Nahrung ist. Müll, der verbrannt, verbuddelt oder aufgetürmt wird oder eben im Meer und den Flüssen schwimmt.

Natürliche Systeme sind auf Dauer angelegt, menschliche auf den Moment.

Natürliche Systeme leben von der Vielfalt, steuern sich selbst und können Schocks abfangen. Genau das macht sie resilient und in ihrer Ganzheit effizient. Sie sind auf Energieeffizienz ausgerichtet, weshalb auch nichts verschwendet wird. Moderne menschliche Systeme versuchen einzelne Prozesse – denken sie an das Bild des Förderbands – ökonomisch effizient zu gestalten: Was vorne weniger kostet, ist hinten netto positiv. Dadurch reduzieren menschliche Systeme Vielfalt, und das Gesamtgefüge wird homogen, was es fragil und fehleranfällig macht. Anstatt also die Muster erfolgreicher Evolution in lebendigen Systemen zu übernehmen, versucht der moderne Mensch alles, was er anfasst, in eine maximal produktive Maschine zu verwandeln, ohne die Umgebung dieser Maschine im Blick zu behalten.

Die Definition, die die Kommission [World Commission on Environment and Development der Vereinten Nationen] fand und die später zur Grundlage für alle weiteren Umweltabkommen wurde, ist ganz einfach: "Dauerhafte (nachhaltige) Entwicklung ist Entwicklung, die die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt, ohne zu riskieren, dass künftige Generationen ihre eigenen Bedürfnisse nicht befriedigen können." Dazu gehörten zwei wichtige Unterpunkte: Die Bedürfnisse der Armen sollten Priorität geniessen, und es galt darauf zu achten, die sozialen und technologischen Entwicklungen so auszurichten, dass sie die regenerativen Zyklen der Natur nicht zerstören.

Aber obwohl der Wert der Ökosystemdienstleistungen für die verlässliche Ressourcenbereitstellung, eine gesunde Versorgung und hohe Lebensqualität derart immens ist, bekommt sie die Menschheit von der Natur quasi umsonst. Wir müssen sie nicht erst erfinden und entwickeln und dafür Menschen und Maschinen bezahlen. Darum ist sie auch kein Posten in den Bilanzen, und weil in der Ökonomie keinen Wert hat, was nicht bezahlt werden muss, fällt die Natur bisher schlicht nicht ausreichend ins Gewicht. Wir zahlen für die einzelnen Bausteine, die Ressourcenstücke, die wir der Erde entnehmen – den Kubikmeter Holz oder das Gramm Eisen. Für das regenerative und distributive Reinigen von Luft und Wasser, das Verbreiten von Pollen und Saatgut, die Kohlenstoffspeicherung und die Sicherung von Nahrungsketten und Biodiversität haben wir hingegen kein funktionierendes Preissystem, geschweige denn Verständnis.

In unserem Verhältnis zur Natur zeigt sich die ganze Anmassung menschlichen Wirtschaftens. Indem der Mensch die natürlichen Systeme seinem Bedarf unterwirft, reduziert er ihre Vielfalt, macht sie verletzlicher und braucht einen immer grösseren Aufwand, um sie zu stabilisieren. Menschliche Systeme sind nicht nachhaltig und müssen notgedrungen zusammenbrechen, wenn wir nicht lernen, sie umzubauen.

Mensch und Verhalten

Wenn wir die Welt neu denken wollen, müssen wir bis zu den gedanklichen Fundamenten zurückgehen, auf denen die uns heute geläufige Welt aufgebaut ist. Dazu gehört neben dem Blick, den der Mensch auf die Natur hat, auch der Blick, den er auf sich selbst hat.

Das Menschenbild, das hinter den meisten ökonomischen Theorien steckt, ist das eines Egoisten, der in jeder Situation darauf bedacht ist, kühl den eigenen Vorteil zu kalkulieren. Wenn der Mensch sich entscheiden muss, dann wird er als Konsument immer das wählen, was ihm den grössten Nutzen bringt, und als Produzent für das entscheiden, was ihm den höchsten Gewinn verspricht.

Die Mehrheit in den Wirtschaftswissenschaften denkt den Menschen immer noch als eine egoistische Kreatur, der es nur um den eigenen Vorteil geht und die dadurch auf wundersame Weise für alle Wohlstand schafft. Dieses Menschenbild ist falsch und muss dringend einem Update unterzogen werden. Ein System, das Egoismus belohnt, erzieht zum Egoismus. Wir brauchen eine Neubetrachtung der Werte, die Menschen in ihrer kooperativen Lebendigkeit stützen.

Wachstum und Entwicklung

Wirtschaftswachstum in seiner heutigen Form heisst Klimawandel. Und mehr Wirtschaftswachstum heisst noch mehr Klimawandel. Darin besteht die fatale Logik unserer Zivilisation.

Solange die Menschheit an der Vorstellung festhält, dass wirtschaftlich immer mehr produziert werden muss, wird jeder Fortschritt, den sie an der einen Stelle für sich und die Umwelt erreicht, an einer anderen Stelle mehr als zunichtegemacht.

[...] Zukunft gestalten wir jeden Tag. Mit unseren Innovationen und Technologien, mit unserem Verhalten und unseren Entscheidungen und mit den Regeln des Zusammenlebens, die wir uns geben. Entscheidend ist, an welchen Zielen wir diese ausrichten.

Eine Wirtschaftsweise, die in einer begrenzten Welt mit endlichen Ressourcen auf stetes Wachstum setzt, ist nicht nachhaltig. Es gilt neu zu verhandeln, was den Wohlstand der Menschen übermorgen ausmacht. Dafür brauchen wir neue Begriffe und Konzepte, die ausdrücken, was wir künftig wichtig finden. Planetenzerstörung darf nicht mehr Wachstum heissen. Reine Geldvermehrung nicht länger Wertschöpfung. Grenzen des Wachstums sollten Überwindung der ökologischen und sozialen Schadschöpfung heissen.

Technologischer Fortschritt

[Der Rebound-Effekt] ist eines der am meisten unterschätzten Hindernisse auf dem Weg in eine nachhaltige Wirtschaftsweise.

Wenn wir den technologischen Fortschritt weiter so einsetzen wie bisher und ihm keine klar andere Funktion geben als die des kurzfristigen ökonomischen Wachstums und der weiteren Zunahme an Konsum, verschieben wir die Lösung der Probleme unverändert rigoros in die Zukunft.

Technologischer Fortschritt gilt als sichtbarstes Zeichen menschlicher Fortentwicklung. Solange wir aber die Einbettung von Technik in Umwelt und Gesellschaft nicht mitdenken, fehlt uns der Blick dafür, wo sie uns hintreibt. Um in der neuen Realität gut zusammenleben zu können, müssen wir auch unsere Vorstellung von Fortschritt ändern, sonst verschieben wir die Probleme einfach weiter in die Zukunft.

Konsum

In der Diskussion, was die Menschheit unternehmen kann, um zu einer nachhaltigen Wirtschaftsweise zu finden, die sich innerhalb der ökologischen Leitplanken des Planeten bewegt, gibt es im Allgemeinen zwei Vorschläge. Der eine [...] lautet, mithilfe von Innovationen und technologischem Fortschritt den Naturverbrauch zu senken, ohne dafür auf Wohlstand verzichten zu müssen, was, wen wundert's, der beliebtere der zwei Vorschläge ist. [...] Neben der Angebotsseite spielen natürlich auch die Akteur*innen auf der Nachfrageseite, sprich die Konsument*innen, eine wichtige Rolle. Der zweite Vorschlag für nachhaltiges Wirtschaften setzt daher genau dort an: Wenn sich die Natur bei steigendem Wirtschaftswachstum nicht erhalten lässt, geschweige denn erholen kann, muss eben der materielle Wohlstand sinken. Das kommt natürlich weniger gut an, weil man hier tatsächlich mit weniger zurechtkommen, also Verzicht üben müsste.

Verzicht – schon allein das Wort bringt viele Menschen auf die Palme. Aber was heisst eigentlich genau Verzicht. Ich kann ja nur auf etwas verzichten, das mir nach Lage der Dinge zusteht. Der Wohlstand, in dem die westliche Welt lebt und an dem sich viele Entwicklungsländer orientieren, hätte nach den Regeln der Nachhaltigkeit aber gar nicht erst entstehen dürfen. So gesehen heisst Verzichten in reichen Ländern [...] eigentlich nicht mehr und nicht weniger, als darauf zu verzichten, den Planeten zu ruinieren, und dafür die Lebensgrundlagen in der Zukunft zu erhalten.

Unsere moderne Gesellschaft ist so eingerichtet, dass ihre Gegenwart stets versucht ist, ihre Vergangenheit zu übertrumpfen. Es herrscht ein steter Steigerungszwang, nicht nur im technologischen und wirtschaftlichen Bereich, auch im sozialen und sogar im räumlichen. Jede Mode, jeder Job, jede Freude, jeder Urlaub könnte morgen schon wieder von gestern sein. Und die Aufmerksamkeitsökonomie der ständigen Werbebotschaften, Nachrichten, Selbstdarstellungen und Informationswellen trägt verlässlich dazu bei, dass dieses Verfallsdatum sich immer schneller nähert.

[...] das Förderband, mit dem wir Umwelt in Wohlstand umwandeln, wird ja nicht nur von unserem Wunsch nach Mehr angetrieben. Es wird auch von unserer Angst vor Weniger in Gang gehalten. Diese Angst, weniger zu haben, weniger als unsere Vorfahr*innen, weniger als unsere Nachbar*innen, weniger als Leute, zu denen wir gehören wollen, macht es so schwierig, zu teilen und zu verzichten. Und je stärker unsere Kultur die Idee von erfolgreichem Leben und Arbeiten mit immer mehr besitzen – und vor allem mehr als andere besitzen – gleichsetzt, umso schneller läuft das Band.

Der Verhaltensökonom Armin Falk [...] hat [...] einen kategorischen Imperativ in Zeiten des Klimawandels vorgeschlagen: Konsumiere so, wie du dir wünschen würdest, dass alle es tun.

Unser Konsumverhalten im reichen Westen ist nur durch die Externalisierung der Kosten möglich. Es macht uns auch nicht glücklich, Besitz und Status als Marker für unseren Selbstwert zu setzen. Die Rolle und Art von Konsum in unseren Gesellschaften zu ändern ist daher ein wichtiger Schlüssel zur Nachhaltigkeit. Die Versöhnung von sozialen und ökologischen Zielen sollte dabei im Zentrum stehen.

Markt, Staat und Gemeingut

Das ist das Vertrackte an der Tyrannei der kleinen Entscheidungen: dass sie keine übergeordnete Instanz kennt, die von einer höheren Perspektive aus überprüft, ob die Summe der Einzelinteressen tatsächlich für alle einen Nutzen herbeiführt. Eine Instanz, die das Wohlergehen der Gruppe über die Möglichkeiten des Einzelnen stellt, seinen persönlichen Nutzen zu maximieren. Und die damit auf lange Sicht in vielen Fällen sogar das Wohlergehen der Bevorteilten selbst schützt. Das nennt sich Gemeinwohlsicherung, braucht längerfristige Voraussicht und ist originäre Aufgabe des Staates.

John Maynard Keynes schliesst daraus auf die Rolle des Staates: "Die wichtigsten Agenden des Staates betreffen nicht die Tätigkeiten, die bereits von Privatpersonen geleistet werden, sondern jene Funktionen, jene Entscheidungen, die niemand trifft, wenn der Staat sie nicht trifft." Auch er ging nicht davon aus, dass staatliche Eingriffe in den Markt die Ausnahme von der Regel sind, sondern der Normalzustand, um Balance zwischen Angebot und Nachfrage zu erhalten. Nicht nur bei Produkten und Dienstleistungen, sondern auch bei Arbeitsmärkten, beim Export- und Importverhältnis oder bei der Geldmenge und den Währungsmärkten. Oder [...] wenn die Natur oder die zukünftigen Generationen sich nicht alleine gegen ihre Überausbeutung und Benachteiligung zur Wehr setzen können.

Die Frage lautet also nicht, ob Anreize, Verbote oder Verteuerungen sein dürfen oder nicht. Sie lautet, welche von ihnen in der neuen Realität nicht mehr funktionieren, falsch gesetzt sind, und uns dabei im Weg stehen, das notwendige Ziel einer nachhaltigen Lebensweise zu erreichen. Der Markt ist kein regelfreier Raum, sondern erst durch Regeln erschaffen worden. Diese Regeln beeinflussen, welche Freiheiten wir haben und welche nicht, was uns verboten ist und was nicht und welche Innovationen wahrscheinlich sind und welche nicht.

[...] der Staat ist nicht immer der, der Freiheiten beschneidet, sehr oft ermöglicht er sie erst.

Gerechtigkeit

Wer akzeptiert, dass es Grenzen gibt, der muss auch akzeptieren, dass Güter und Verschmutzungsrechte endlich sind. Wenn der Kuchen aber nicht immer grösser werden kann, stellt sich automatisch die Frage, wie er zu verteilen ist. Wenn die Ökosysteme nur eine bestimmte Menge an Rohstoffen hergeben und eine bestimmte Menge an Abfall und Abgasen aufnehmen können, stellt sich automatisch die Frage, wer wie viel verbrauchen, wegwerfen und ausstossen darf. Umweltfragen sind immer Verteilungsfragen, und Verteilungsfragen sind immer Gerechtigkeitsfragen.

Man kann es drehen und wenden, wie man will: Von dem, was das Wirtschaftswachstum seit der Globalisierung an Vermögen geschaffen hat, ist bei vielen Armen etwas, bei sehr wenigen Reichen unfassbar viel und bei der grossen Mittelschicht kaum bis gar nichts angekommen.

Gerechtigkeit heisst nicht allein Verteilungsgerechtigkeit, sie heisst auch Chancengerechtigkeit. Sowohl die gleiche Chance, ein den menschlichen Bedürfnissen gerechtes Leben zu führen, als auch die gleiche Chance, die Bedingungen dafür zu beeinflussen.

Gerechtigkeit ist der Schlüssel für eine nachhaltige Wirtschaftsweise, wenn sie global funktionieren soll. Nur so kann man verhindern, dass die ökologische Frage gegen die soziale ausgespielt wird. Beide gehören zusammen und lassen sich nur miteinander lösen.

Denken und Handeln

Weiterzumachen wie bisher ist keine Option, weil es zu radikalen und wenig einladenden Konsequenzen führt. Denn auch wenn wir gar nichts verändern, verändert sich viel – nur nicht zum Guten. Unser Wirtschaftssystem steht nicht still, bis wir uns weitere dreissig Jahre darum gestritten und schliesslich geeinigt haben, welche minimalen Veränderungen wir uns leisten wollen – sofern sie unser blindes Wirtschaftswachstum nicht stören. Wir alle sind ein Teil vernetzter Systeme, in denen nichts ohne Effekt ist, ob wir wollen oder nicht, ob wir etwas anders machen oder nicht. Das bedeutet aber auch, dass wir die Chance haben, den Veränderungen eine bewusste Richtung zu geben. Genau genommen haben wir nicht nur die Chance, sondern auch die Verantwortung dazu.