Miracle Creek

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  • ISBN: 978-3446266308
  • Mein Rating: 8/10

Worum geht es?

Die südkoreanische Einwandererfamilie Yoo – bestehend aus Pak, Young, und Tochter Mary – betreibt in der amerikanischen Kleinstadt Miracle Creek eine Druckkammer für therapeutische Zwecke. Eines Tages kommt es zu einem Brand: zwei Menschen sterben und mehrere werden schwer verletzt, darunter Pak und Mary. Wie sich herausstellt, wurde der Brand gelegt.

Ein Jahr später kommt es in dieser Angelegenheit zu einem Gerichtsprozess. Auf der Anklagebank sitzt als Mordverdächtige Elizabeth Ward, deren achtjähriger, autistischer Sohn Henry in den Flammen starb. Anfangs scheint der Fall klar zu sein, die Indizien sind erdrückend. Doch im Verlauf des Prozesses tauchen Widersprüche auf, die Zweifel an ihrer Schuld aufkommen lassen...

Mein Eindruck

Mir hat Miracle Creek gut gefallen. Die Autorin erzählt die Geschichte anschaulich aus den Perspektiven der verschiedenen involvierten Personen und enthüllt schrittweise, was tatsächlich geschehen ist. Dabei kommen auch Themen wie Autismus, Schwierigkeiten von Einwanderern im neuen Land, oder die Überforderung von Müttern mit Kindern mit Einschränkungen, zur Sprache. Das Ende fand ich gelungen, wenngleich es im Vergleich zur restlichen Geschichte eher knapp ausgefallen ist.

Zitate aus dem Buch

Miracle Creek sah nicht aus wie ein Ort, an dem sich je Wunder zutragen, ausser vielleicht jenes, dass Menschen hier jahrelang lebten, ohne vor Langeweile durchzudrehen.

Hätte Henry Krebs gehabt oder wäre er schwerhörig, hätten alle Mitleid mit ihm gehabt statt peinlich berührt zu reagieren. [...] Aber Autismus war was anderes. Autismus war ein Stigma.

Nach einer Weile [...] bemerkte Elizabeth auf sie gerichtete Sicherheitskameras, und sie dachte, was sie wohl für einen Anblick bot in ihrem Kostüm und mit den hochhackigen Schuhen, von oben bis unten voll mit Kotze, und sie musste lachen. Lauthals. Schrill.

"Lassen sie sich von denen nicht unterkriegen, haben sie gesagt. Bleiben sie ruhig und gefasst." - "Damit meinte ich, dass sie nicht ausflippen sollten. Dass sie nicht herumschreien oder mit Sachen um sich werfen sollten. Ich meinte damit nicht, dass sie sich in einen Roboter verwandeln sollten. Ich habe noch nie jemanden gesehen, der sich so stoisch verhalten hat, und schon gar nicht, wenn es um die Beweislage rund um den Tod des eigenen Kindes ging. Das war richtig unheimlich."

"Rauchen sie eigentlich, Dr. Thompson?" [...] "Ich sehe so viele Röntgenbilder von Raucherlungen, da müsste ich schon Todessehnsucht haben, um zu rauchen."

"[...] Gott hat schon einen seltsamen Humor." - "Was meinst du?" - "Na ja, ausgerechnet das Kind, das einigermassen normal ist, kommt ums Leben, während der Autist verletzt überlebt und das Mädchen mit dem schweren Gehirnschaden unversehrt bleibt."

[...] was wahrscheinlich alle dachten: dass Rosa, das Kind mit der schwersten Behinderung, hätte sterben sollen. Das wäre doch viel gerechter gewesen. Logischer. Sauber. Weg mit dem defekten Kind mit dem kaputten Gehirn, dem Kind, das weder sprechen noch laufen konnte, dem Kind, dem Kind, das doch eigentlich sowieso besser tot wäre.

"Weisst du, womit ich gestern stundenlang beschäftigt war? Mit Scheisse-Aufwischen. Ernsthaft. TJs neuester Tick ist, mit Kot herumzuschmieren. Er zieht sich die Windel aus und verteilt die Scheisse an Wänden, Vorhängen, auf dem Teppich, überall."

Wie mochte sich das wohl anfühlen, wenn einem die Polizei erzählte, jemand, den man kannte – vielleicht sogar eine Freundin –, hatte einen bezichtigt, das eigene Kind zu misshandeln?

Was war besser: mit einem Ehebrecher verheiratet zu sein oder mit einem Mörder?

"Sie hat auf ganz entsetzliche Weise ihr einziges Kind verloren. Alle geben ihr die Schuld daran. Sie hat keine Freunde mehr. Sie hat überhaupt nichts mehr. Ihr Leben ist leer. Ganz gleich, ob sie das Feuer gelegt hat oder nicht. Ich glaube, das ist Strafe genug, egal, was sie getan hat."

Tod gegen Zerebralparese und geistige Behinderung. Nicht Tod, bitte nicht Tod, alles andere ist egal, hatte sie gebetet. Aber einen winzig kleinen, mikroskopischen Augenblick hatte sie darüber nachgedacht, was ein Leben mit Hirnschaden bedeuten würde. Ihr kleines Mädchen, weg, ihre körperliche Hülle ein Denkmal ihrer Abwesenheit. Rund-um-die-Uhr-Pflege, das normale Leben zerbrochen wie ein Zweig.

Nur einen Moment lang, einen Moment, den sie später bereute und betrauerte, aber just da, in dem Augenblick, hasste sie ihren fünfjährigen Sohn. Dafür, dass er Autist war. Dafür, dass mit ihm alles so schwer war. Dafür, dass er sie dazu brachte, ihn zu hassen.

"[...] ich ging an der Scheune vorbei und da waren eine Zigarette und Streichhölzer. Ich hatte eigentlich gar nicht vor, irgendwas zu machen, aber als ich das sah, da war das ... wie Schicksal, als wollte ich genau das in dem Moment tun, die Scheune abfackeln, sie zerstören, und es war so ein gutes Gefühl, das Feuer anzuzünden."

Das war das Beste und das Schlimmste zugleich an der ganzen Sache, dass alles die völlig unbeabsichtigten Folgen einiger Fehler war, die ein guter, unbescholtener Mensch begangen hatte.