Meine Dschungelmutter

Wie ich bei den Yanomami-Indianern meine Wurzeln fand

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  • ISBN: 978-3499630965
  • Mein Rating: 8/10

In Meine Dschungelmutter erzählt der Autor aus seinem Leben: von seinem Vater, der als Anthropologe das Volk der Yanomami studierte, bei ihnen lebte, und von ihnen schliesslich Yarima als Frau "zugeteilt" bekam; wie seine Eltern mit ihren drei kleinen Kindern für einige Jahre in den USA lebten; wie die Mutter nach einer Reise in den Dschungel dort zurückblieb; was es für ihn bedeutete, ohne Kontakt zur Mutter aufzuwachsen; und von seinen beiden Reisen in den Dschungel, um seine Mutter zu treffen und für eine gewisse Zeit dort zu leben.

Ich fand Meine Dschungelmutter ein faszinierendes Buch, welches mir einen kleinen Einblick gewährte in eine für mich vollkommen fremde Kultur. Der Autor schildert auch sehr eindrücklich seine Probleme mit dem Finden seiner eigenen Identität, und wie er schliesslich, dank seiner Reisen zu seiner Mutter und den Yanomami, zu seinen Wurzeln fand.

Meine Notizen

9. September 2011, 5:43 Uhr

[Unsere Gruppe] pflügte durch den Regenwald, als sei das gar nichts, während sie einfach einen neuen Pfad dort hineinschnitt, wo der alte vermutlich gewesen war. Sie bewegten sich fort, als würden sie in einer Stadt auf dem Gehweg marschieren. Barfuss natürlich. Ich selbst trug Turnschuhe, die mich, sobald sie nass und von Schlamm durchtränkt waren, eher behinderten, doch meine Fusssohlen waren schlicht nicht abgehärtet genug, um den Ungewissheiten des Regenwaldbodens standzuhalten.

Wie ich hierhergekommen bin

Das Band zwischen Eheleuten beruht mehr auf Kameradschaft, Vertrautheit und Familie als auf Liebe und dem "gewissen Etwas" oder irgendwelchen sonstigen westlichen Mustern. Wenn zwei Menschen einander nicht mögen, nicht zusammenpassen, dann wird natürlich auch nicht geheiratet, aber im Grossen und Ganzen ist eine Ehe eine rein pragmatische Angelegenheit. Der Mann braucht eine Frau, damit sie angelt und kocht und Kinder bekommt. Die Frau braucht einen Mann, damit er auf die Jagd geht und die Familie beschützt. Beide sind zwei Teile eines notwendigen Ganzen.

Egal, welche Einwände mein Vater brachte, Langbart [der Dorfhäuptling] wischte sie beiseite wie lästige Fliegen. [...] Am Ende warf mein Vater die Arme in die Höhe, eine Geste, die besagte Was soll's und erklärte: "Na schön, ich werde mir eine Frau nehmen." - "Beschlossene Sache", entgegnete Langbart, und im gleichen Moment fiel sein Blick auf meine Mutter und Grossmutter, die gerade am Feuer kochten. Er deutete auf meine Mutter und sagte: "Nimm sie."

Die meisten Yanomami-Eltern geben ihren Kindern erst nach Monaten einen Namen, und wenn sie es schliesslich tun, hat das Kind bereits irgendeine Eigenschaft oder einen Charakterzug entwickelt, der sich für einen Spitznamen eignet. Bei diesem Spitznamen wird das Kind dann gerufen.

Yanomami-Spitznamen sind nicht immer schmeichelhaft. Mein Vater hat mir von einem Mann aus einem Nachbardorf erzählt, der den Namen Shamaposiwe trug – Arschloch eines Tapirs.

Bei Yanomami-Ehen bietet der Mann der Familie seiner zukünftigen Frau Geschenke und Dienste an, sozusagen als offizielle Transaktion, um die Abmachung zu besiegeln. Also lieferte mein Vater Töpfe und Pfannen, Macheten und Angelhaken.

9. September 2011, 8:04 Uhr

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Wiedersehen und Hochzeit

Mein Vater hatte sich unglaublich darüber gefreut, und jetzt war er am Boden zerstört. Die Reaktion meiner Mutter auf den Verlust des Kindes hingegen war typisch Yanomami. Sie sagte schlicht: Wir werden noch ein Baby machen.

9. September 2011, 8:32 Uhr

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Dschungelland

Wahrscheinlich dachte sie, Dad lebe einfach in einem anderen Teil des Regenwalds – in einem Teil, den sie nicht kannte und von dem sie noch nichts gehört hatte. Sie konnte sich den Kulturschock nicht vorstellen, der sie erwartete, sobald sie das Territorium verliess, weil er ausserhalb ihrer Erfahrungswelt lag.

Mom verstand Dads Arbeitszeiten nicht. Schon allein das Konzept von Arbeitszeiten leuchtete ihr nicht ein. Die Vorstellung, dass man zur Arbeit ging und dort den Grossteil des Tages verbrachte, war ihr völlig fremd.

Wie erklärt man den eigenen Kindern, dass ihre Mutter nicht zu ihnen zurückkommt? Wie sagt man ihnen, dass die Liebe zu ihren Kindern nicht gross genug war, um den Schmerz der Trennung von ihrer Familie, ihrem Dorf, ihrer Lebensweise aufzuwiegen? [...] Also sagte Dad einfach, Mom sei noch im Dschungel, und es sei geplant, dass sie noch eine Weile dort bleiben würde. [...] Und keiner von uns – Dad eingeschlossen – wäre auf die Idee gekommen, noch eine Weile könnte bedeuten, dass wir Mom niemals wiedersehen würden.

9. September 2011, 9:21 Uhr

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Alles braucht seine Zeit

Ich überflog den Artikel und stellte zu meiner grossen Erleichterung fest, dass mein Vater nicht namentlich erwähnt wurde. Dennoch war ich ausser mir vor Angst, eines der anderen Kinder könnte die Wahrheit über mich herausfinden – dass ein Teil meiner Familie nackt im Dschungel lebte, Affen von den Bäumen schoss und Käfer ass und dass ich der kleine Junge auf dem Foto war.

9. September 2011, 10:27 Uhr

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Heimat

Lange hatte ich behauptet, meine Mutter sei bei einem Autounfall ums Leben gekommen. All die Jahre über war sie für mich tot gewesen. Und auch der mit ihr zusammenhängende Teil meiner Seele, meine Verbindung zum Regenwald und seinen Menschen, hatte für mich nicht mehr existiert. Doch nun, als mich plötzlich interessierte, wer ich war und woher ich kam, als ich sie quasi ins Leben zurückgeholt hatte und das Wiedersehen mit ihr mein Leben wieder in die richtigen Bahnen lenken sollte, bedeuteten mir ihre Gesundheit und ihr Wohlbefinden mehr als alles andere.

9. September 2011, 11:12 Uhr

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Mein Leben als Yanomami

Mom war vor Begeisterung kaum zu halten, als sie mich mit diesen beiden Frauen verkuppelte. Sie stellte sich vor, dass ich diese Ehen vollziehen und anfangen würde, Yanomami-Babys zu produzieren. Auf diese Weise sollte ich hier Wurzeln schlagen und meine Verbundenheit zum Dorf wachsen, sodass ich niemals in das "Dorf" meines Vaters in New Jersey zurückging.

Mom erwartete, dass ich mich von Anfang an als Vollblut-Yanomami erwies. [...] Das bedeutete, dass ich ohne Moskitonetz am Feuer schlafen sollte. Es bedeutete, dass ich Käferlarven und Affenfleisch und alles, was sie mir sonst noch vorsetzte, essen sollte. Und es bedeutete auch, dass ich nichts tragen sollte ausser meiner Unterwäsche [...].

Die Kinder, die Frauen... alle weinten. Auch manche Männer schluckten ihre Tränen hinunter, doch der einzige erwachsene Mann, der sie hemmungslos laufen liess, war mein Bruder Ricky Martin. Er war am Boden zerstört über meine Abreise [...].

Die zweite Reise

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Das Good Project

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