Burn-out: In den Krallen des Raubvogels

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  • ISBN: 978-3033004610
  • Mein Rating: 5/10

Burn-out: In den Krallen des Raubvogels ist der Erlebnisbericht eines Journalisten, der selbst von Burn-out betroffen war. Zusätzlich kommen noch ein Unternehmer, ein Psychosomatiker und ein Arzt zu Wort.

Mein Eindruck ist zwiespältig. Den Erlebnisbericht selbst fand ich interessant, dem Autor ist es gut gelungen, die Krankheit anschaulich zu beschreiben. Auf der anderen Seite haben mich die Beiträge der anderen Autoren sowie das Kapitel "Betroffene erzählen" nicht überzeugt. Ich hatte den Eindruck, sie wurden einfach hinzufügt, um das Buch zu füllen...

Meine Notizen

Thomas Knapp: In den Krallen des Raubvogels

Es gab jene Momente, in denen ich es als angenehmer empfunden hätte, in einem Spitalbett zu liegen: mit einem Gipsbein, einem Kopfverband oder mit Schläuchen an eine Maschine angeschlossen. Dann wäre ich nämlich sofort als kranker Mensch erkannt worden.

Ich war zufrieden, hatte den tollsten Beruf im besten Team der Welt. Und meinte, ohne mich käme morgen keine Zeitung heraus. Ja, ich hielt mich für unentbehrlich.

Der Ehrgeiz trieb uns an, täglich eine noch bessere Zeitung zu machen und damit der Konkurrenz auf dem Platz auf den Zahn zu fühlen. Das war Ansporn genug, den Fokus fast nur noch auf die Arbeit zu richten. Anderes im Leben kam viel zu kurz, wurde sogar unwichtig.

Ich war zufrieden. Auch wenn ich gelegentlich spürte, dass es in diesem schnellen Rhythmus nicht weitergehen konnte. Dass es auch ein Leben neben der Arbeit und nach Feierabend gibt.

Man will ja keine Schwächen zeigen. Schon der leiseste Anflug von "Ich kann nicht mehr" wäre ein solches Eingeständnis gewesen.

Und plötzlich hasste ich sogar die Arbeit. Genauer gesagt: Ich hasste mich, weil ich mich überfordert fühlte.

Die Kluft zwischen eigenem Anspruch und Wirklichkeit wurde immer grösser.

Ich fühlte mich wirklich leer. Ich hatte auch keine Sehnsüchte mehr. Ich war wunschlos unglücklich.

Die tägliche Arbeit ging mir nicht mehr gewohnt locker von der Hand. Entscheidungen zögerte ich so lange wie möglich hinaus. Ich schien an meinem eigenen Druck zu zerbrechen. [...] Die Souveränität war mir abhanden gekommen. Ich verlor die Kontrolle über mich. Der Druck, den ich mir selber auferlegt hatte, war spürbar zu stark. Ich fühlte mich ziemlich hilflos und zudem heillos überfordert.

Der Tag endete so, wie er begonnen hatte: Ich war erschöpft, ratlos und hilflos.

Er [der Arzt] erklärte, gab mir Ratschläge, sprach mir Mut zu. Ich vertraute ihm. Es blieb mir nichts anderes übrig. Denn ich spürte, dass ich diesen Weg nicht allein schaffen würde. Ich brauchte jemanden, der mich auf diesem dunklen Weg begleitete. Allein wäre ich überfordert gewesen.

Aussenseiter haben es schwer. Sie müssen Rechenschaft ablegen, warum sie nicht arbeiten können. Sie sollten Antworten auf Fragen geben, die sie selber gar nicht kennen. Sonst vereinsamen sie, irgendwann. Und niemand merkt es, weil sie nicht vermisst werden. Sie gehören nicht mehr dazu. Sie gehen in der Menge unter. Und werden vergessen. Schon bald.

Ich war bereit, mein Leben umzugestalten. Ich war bereit, womöglich meine Karriere zu opfern. Immer mit der Hoffnung, dass nach einem Abstieg wieder ein Aufstieg kommen muss: mehr Lebensqualität und damit mehr Lebenslust.

Ich rate allen ab, sich für eine Stelle zu bewerben, wenn man sich nicht einigermassen wohl fühlt. Denn man wirkt wenig überzeugend.

Die Zweifel fremder Leute, die mich nicht kannten und doch über meine Krankheit urteilten, machte mich nachdenklich. Dem ist man wehrlos ausgeliefert.

Daniel Zanetti: Was Unternehmer lernen können

Wenn ich es mir genau überlege, dann ist meine Firma prädestiniert für einen Burn-out-Fall. Bei uns arbeiten vorwiegend junge, sehr engagierte Menschen, die alle den Fokus auf ihren Beruf gerichtet haben.

Wenn man beruflich stark belastet ist, versieht man alles, was nicht unmittelbar mit dem Kunden zu tun hat, mit der Priorität B. Vor allem alles, was einen selbst betrifft.

Nebst dem Umstand, dass wir heute bei allen Mitarbeitenden konsequent auf ihre Arbeitsweise und ihre Arbeitspensen achten (und diese wenn nötig beeinflussen), ist die Mitarbeiterauszeit ein Beitrag an die Burn-out-Prävention. Schliesslich wollen wir leuchtende und nicht ausgebrannte Mitarbeiter.

Andreas Lüthi: Das Burn-out-Syndrom aus der Sicht des Psychosomatikers

Unser Leben unterliegt dem Kausalitätsprinzip von Ursache und Wirkung. Es gibt nichts, was plötzlich passiert. Alles hat seine Ursache. Oft vergessen wir, dass wir für diese Ursache selber verantwortlich sind. Durch die Wirkung werden wir wieder daran erinnert.

Viele Menschen haben eine Idealvorstellung vom eigenen Leben. Die meisten beschäftigen sich aber nur am Rande mit diesem Thema. Burn-out ist ein Warnzeichen, dass die betreffende Person von ihrer Idealvorstellung abweicht.

"Hatten sie in den vergangenen 12 Monaten ihr Leben klar unter Kontrolle? Hatten sie sich Ziele für 6, 12 oder 16 Monate gesetzt? Leben sie ihre Berufung, oder arbeiten sie immer noch, um Geld zu verdienen? Sie haben Talente mit auf diesen Planeten genommen. Setzten sie diese Talente oder ihre Begabungen wirklich zum Wohle anderer ein? Oder verfielen sie in einen Alltagstrott, der sie weder befriedigt noch glücklich gemacht hat?"

Adrian Burki: Das Übertrainingssyndrom: eine Variante des Burn-out bei Sporttreibenden

Häufiger als ein Zuviel an Projekten und Verpflichtungen sind aber Situationen und Erwartungen, denen wir nicht gewachsen sind. Sei es, dass wir unsere Stärken gar nicht einbringen können; sie werden nicht anerkannt oder gar verhindert. Oder sei es, dass wir uns selbst überschätzen. Wir können uns dann noch so bemühen, es wird nie ausreichen, unsere Ziele zu erreichen.

Zu viele Ratschläge können auch verunsichern.

Betroffene erzählen

Der Begriff "Burn-out" ist für nicht Betroffene abstrakt. Die Krankheit kann man nicht sehen. Man fühlt sie vielleicht, aber auch nur dann, wenn man einen Burn-out-Patienten näher kennt.