Argus
von Jilliane Hoffman
- Buch auf Amazon
- ISBN: 978-3805208932
In Argus haben es der Ermittler Manny Alvarez und die Staatsanwältin Daria De Bianchi mit einem Fall zu tun, bei dem junge Frauen verschwinden, gefoltert und vergewaltigt werden, und anschliessend ermordet werden. Hinter den Taten scheint ein Snuff-Club zu stecken. Um an die Namen der Mitglieder zu gelangen, geht die Staatsanwaltschaft einen Deal mit Bill Bantling, einem zum Tode verurteilten Psychopathen, ein, der jedoch schiefgeht...
Abgesehen von etwas zu langen Gerichtsszenen fand ich Argus einen ziemlich spannenden Thriller, der auf einer interessanten Idee basiert. Das Ende fand ich überraschend, wenn auch etwas unbefriedigend, da es so aussieht, als ob damit bereits der Grundstein für eine Fortsetzung gelegt wurde.
Zitate aus dem Buch
Zwei Tage vor ihrem neunundzwanzigsten Geburtstag gehörte sie bereits zum Gammelfleisch. Zumindest hier im Jezzie, wo man schon mit fünfundzwanzig Gefahr lief, von den anderen als Oma bezeichnet zu werden.
"Für eine Steuerberaterin sehen sie nicht langweilig genug aus."
In diesem Moment wusste Gabby so sicher, wie morgens die Sonne aufging, dass sie diese Sonne nie wiedersehen würde.
Mit einem Griff an die Brust war der alte Mann zurückgetaumelt, auf sein Restaurant zu – und direkt in einen Geländewagen hinein, der eben auf den Parkplatz fuhr. Glücklicherweise brach er sich beim Zusammenprall mit der Stossstange des Lexus nur zwei Rippen. Unglücklicherweise jedoch beendete ein Herzinfarkt, höchstwahrscheinlich ausgelöst durch den Anblick der Leiche im Müllcontainer, sein Leben.
Schliesslich schob ein blutjunger Verkehrspolizist, der vor zwanzig Minuten seinen Dienst angetreten hatte, die Klappe des Müllcontainers auf – und verbrachte den Rest des Morgens damit, seine Cornflakes auszukotzen.
"Ich wette, der Typ hat noch keinen Tag in seinem Leben ehrlich gearbeitet. Warten sie, klar, natürlich nicht. Er ist schliesslich Anwalt."
"Ich will auch mal offen sein: Sind sie immer so eine Zicke?"
"Nur weil ich über sechzig bin, heisst das nicht, dass ich Alzheimer habe."
Als Cop in Miami fühlte man sich manchmal wie in einem schlechten Videospiel: Egal, wie viele Zombies man erledigte, es kamen immer neue dazu. Immer schneller. Immer böser und immer hungriger.
"Ich weiss jetzt, wie sie die Leute zum Geständnis zwingen. Sie gehen ihnen so lange auf die Nerven, bis sie nicht mehr können."
Es war wie der Unterschied, von einem Erdbeben zu lesen oder eines zu erleben: Wer das Grauen und die Zerstörung nicht kannte, die von solch einem lebenden, atmenden, menschlichen Monster angerichtet wurden, das seine Opfer willkürlich unter seinen Mitmenschen aussuchte, hatte keine Ahnung, wie falsch Bücher und Filme darüber berichteten, wie trivial sie Serienmorde klingen liessen.
"Angeblich kostet die Mitgliedschaft eine Menge Geld – schliesslich zahlt man für das Privileg, Leuten beim Sterben zuzusehen. Und ich meine nicht natürliche Todesursachen."
"Wie schrecklich das sein muss, wenn dir so viele Augenpaare beim Sterben zusehen."
"Es gibt nichts Gefährlicheres auf der Welt als einen intelligenten Psychopathen, das sag ich ihnen."
Sie liess sich den Fall ihres Lebens nicht wegnehmen, nur weil sie noch nicht über genügend Erfahrung verfügte.
"Ich komme mit. Ich bin noch nie einem Serienmörder begegnet."
"Sie sind weiss wie ein Laken. Setzen sie sich erst mal." Er führte sie zu einer Bank und setzte sich neben sie. "Entweder sind sie krank, oder ich habe was Falsches gesagt. Bitte, kotzen sie mir nicht auf die Schuhe, die sind neu. Ausserdem habe ich eine Allergie gegen kotzende Leute. Mir wird sofort schlecht."
"Zufälle gefallen mir nicht, Counselor. Meistens stellt sich raus, dass es gar keine sind."
Christina hatte sich über die Jahre viele Feinde gemacht. Böse Feinde – Massenmörder, Vergewaltiger, Psychopathen. Das war die beängstigende Realität einer Karriere als Strafverfolgerin. Je länger man es in dem Job aushielt, desto mehr Feinde schaffte man sich, und desto gefährlicher wurden diese Feinde.
Sie war so damit beschäftigt gewesen, die Übeltäter hinter Gitter zu bringen, dass sie keinen Gedanken daran verschwendet hatte, wie das Leben wäre, wenn die Männer, die sie hassten, in die Gesellschaft zurückkehrten, nachdem sie ihre Haft abgesessen hatten,
Es war kein gutes Gefühl zu wissen, dass es sehr viel mehr Menschen auf der Welt gab, die ihr Böses wollten, als Menschen, die ihr Gutes wollten. Und noch verstörender war die Tatsache, dass sie im Lauf einer langen erfolgreichen Karriere Hunderte von Männern und Frauen angeklagt hatte, an deren Namen sie sich kaum erinnerte und deren Gesichter sie nicht wiedererkennen würde. Doch die erinnerten sich genau an sie. Und brannten darauf, ihr wiederzubegegnen, wenn die Gefängnistore endlich aufgingen.
Irgendwann musste sie sich mit der Tatsache abfinden, dass sie – egal, was sie sagte, tat oder trug, wen sie heiratete, wie erfolgreich sie war oder wie viel Geld sie verdiente – ihre Mutter nie von sich würde überzeugen können. Denn ihre Mutter würde das ersehnte Lob für immer unerreichbar vor Darias unglücklicher Nase baumeln lassen.
Er mochte nicht allein sein, aber auf Gesellschaft hatte er auch keine Lust.
"Der Mann ist ein Monster in Menschengestalt."
"Ich schätze, ich muss mich am Wochenende nach einem neuen Auto umsehen, auch wenn ich lieber eine Wurzelbehandlung hätte, als mich mit einem Autoverkäufer rumzuschlagen."
Der Mann, der zerstört hatte, was einst nach einem vielversprechenden Leben und rosiger Zukunft aussah, wollte Macht, wollte Kontrolle über sie. Er wollte, dass sie sich hinter Alarmanlagen verschanzte, dass sie die Wohnung nicht mehr verliess, niemanden mehr kennenlernte, nicht mit Männern zusammen war. Er wollte, dass sie unkontrolliert losheulte und vor Angst schlotterte, wenn sie die Narben ansah, die er mit seinem hässlichen Messer hinterlassen hatte.
Sie wollte übersehen werden. Weil sie nie wusste, wo er war. Und weil sie nicht wusste, wer er war.
"Wenn ich deinen Körper hätte, würde ich die ganze Zeit nackt rumlaufen."
Doch mit knapp dreissig war Daria an einem Punkt, da die einzige Beziehung, die sie wirklich führen wollte, die Beziehung mit ihrer Arbeit war.
"Verdammte Leichen", sagte Manny. "Haben einfach keinen Respekt vor anderer Leute Bürozeiten."
Sobald er auf freiem Fuss war, würde Bill der Frau einen Besuch abstatten, um die sich seit fast zwei Jahrzehnten all seine Phantasien rankten. Noch einmal würde er sie im Arm halten und ihr sagen, wie sehr er sie liebte ... und wie sehr er sie hasste. Dann würden seine Arme sich um sie schliessen und ihr den letzten Atemzug aus ihrem einst wohlgeformten Körper quetschen.
Das war sein Geschenk an sie, das sie für immer mit sich herumtragen würde: Angst. Immer und überall, egal, wie weit sie lief.
Bis zu dem Überfall war Chloe Larson nie in ihrem Leben etwas Böses widerfahren. Sie wusste, dass schlimme Dinge passierten, sie hörte in den Nachrichten davon, aber diese Dinge passierten anderen Leuten, und sie passierten ihnen aus bestimmten Gründen: Die Opfer lebten in gefährlichen Gegenden, oder sie verkehrten mit gefährlichen Leuten, oder sie konsumierten Drogen oder Alkohol. Und dann war es ihr passiert. Und es gab keinen Grund.
Um der anderen Opfer willen wollte sie ihn auf dem elektrischen Stuhl schmoren sehen. Und um ihrer selbst willen wollte sie diejenige sein, die ihn dorthin schickte.
Was würde passieren, wenn ein Vergewaltigungsopfer die Chance bekäme, den Vergewaltiger wegen Morden anzuklagen, die er nicht begangen hatte? Wie weit würde sie im Namen der Rache gehen?
Auf der anderen Strassenseite balancierte sein Nachbar auf halsbrecherische Weise auf der obersten Sprosse seiner Leiter, um eine Sperrholzplatte an einem Fenster im ersten Stock anzubringen. Jeden Augenblick würde er herunterfallen, und es wäre ironischerweise nicht mal der gottverdammte Wirbelsturm, der ihm den Hals brach. Nur seine eigene Blödheit.
Sie hatte sich selbst und ihre Integrität verraten und dazu noch ihre vermutlich beste Chance auf eine Beziehung mit einem netten, lustigen Mann, der wirklich etwas für sie empfand. Und alles nur für das Hirngespinst, ein juristischer Superstar zu werden.
"Ich wünschte, der Staat hätte ihm schon vor Jahren die Lichter ausgeblasen. Ich wünschte, sie hätten mich das machen lassen."
Daria schloss die Augen wieder und stellte sich tot. Wäre sie bloss schon tot! Sie wusste, was sie erwartete. Anstatt dass ihr ganzes Leben noch einmal vor ihren Augen ablief, wie es im Film immer behauptet wurde, spulte sich ihr Tod vor ihr ab, noch ehe er eintrat.
"Eins darfst du nicht vergessen, Schätzchen", hatte ihr Vater ihr einmal gepredigt, als sie gerade zur Anklage gewechselt und ein Geburtstagsessen der Familie verpasst hatte. "Hast du jemals einen Grabstein gesehen, auf dem stand: 'Einer fleissigen Arbeiterin' oder 'Unserer geliebten Chefin'? Nein. Rück das Leben in die richtige Perspektive, mehr sage ich gar nicht. Überleg dir, was wirklich zählt, wenn das Ende naht."
Das Gericht von Miami-Dade County war ein überfülltes, chaotisches Auffangbecken für Verbrecher und Immigranten, die grösstenteils nie Bekanntschaft mit einem Deo gemacht hatten und im Leben gegen nichts geimpft worden waren.
"Nichts würde mir mehr Freude machen, als wenn sie den Kerl endlich einsargen."
Der grosse, böse Bill war ein Schwein, wenn er ein Messer in der Hand hielt und eine Frau gefesselt und hilflos vor ihm lag, aber wenn das Blatt sich wendete und die Karten neu verteilt waren, heulte er wie ein Kleinkind.