Abenteuer Mekong

5700 Kilometer von Vietnam bis ins Hochland von Tibet

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  • ISBN: 978-3890294230
  • Mein Rating: 9/10

In Abenteuer Mekong erzählt der Autor, der auf den Rollstuhl angewiesen ist, von seiner Reise von der Mündung des Mekong in Vietnam zur Quelle in Tibet.

Mir hat Abenteuer Mekong sehr gut gefallen, es ist anschaulich und humorvoll geschrieben. Und es hat Lust gemacht, diese Region selbst einmal zu besuchen. Einzig die Anzahl der Fotos ist etwas knapp ausgefallen und hätte gerne etwas grösser sein dürfen.

Meine Notizen

Der ganz normale Wahnsinn

Auf dem Gehsteig habe ich einen herrlichen Blick auf die grösste Attraktion der Stadt [Ho-Chi-Minh-Stadt] – den Verkehr.

Vielen Religionen sind wir auf unseren Reisen begegnet. Oft liessen sie uns ratlos und verwirrt zurück.

Die Spuren des Vietnamkriegs

Da das dioxinhaltige Entlaubungsmittel ["Agent Orange"] heute noch Fehlgeburten verursacht, aus den USA aber dennoch keine Entschädigungszahlungen kommen, will ich von unserem vietnamesischen Guide wissen, wo die Wut ist. Wie er mir die relative Normalisierung der Beziehungen zwischen den beiden ehemals verfeindeten Länder erklären kann. Kurz und knapp, ohne lange zu überlegen, antwortet er, als sei er auf diese Frage vorbereitet: "Wir Vietnamesen schauen nach vorne, an der Vergangenheit können wir nichts ändern."

Der Caodai-Tempel, vor dem wir stehen, gleicht eher einer Kathedrale, bei der dem Architekten die Phantasie durchgegangen ist. [...] Farbe, Baustil, selbst die Religionen werden im Caodaismus fidel miteinander gemischt. Über dem Eingangsportal, das mich an Hundertwasser erinnert, entdecke ich – schön bunt gehalten – Konfuzius, Buddha, Jesus und eine Menge anderer Gestalten, die ich nicht einordnen kann. [...] Auch das Innere stimmt fröhlich, als hätten Gaudi, Hundertwasser und Niki de Saint Phalle gemeinsam versucht, ein symmetrisches Gebäude zu entwerfen. Ein Paradoxon. Und es scheint, als sei der benachbarte Kindergarten für die Farbgebung zuständig gewesen.

Auf ins Delta

Märkte sind in diesem Teil der Welt zugleich Restaurant und Schlachthöfe, denn man traut nur dem Fleisch, dass vor den eigenen Augen abgestochen wurde.

Jedes deutsche Masthähnchen wird diese beiden Kämpfer um ihr Leben beneiden. Denn sie haben eine fünfzigprozentige Überlebenschance. Erst nach zwei Jahren liebevoller Pflege werden sie in den Ring geschickt. Bis dahin stolzieren sie über den Hof, bekommen bessere Nahrung als viele Menschen und sorgen dafür, dass aus den Eiern der Hühner Küken schlüpfen. Unsere Masthähnchen dagegen haben nur eine Aufgabe: möglichst schnell schlachtreif zu werden.

Auf unserem Rückweg schlendern wir durch die Delikatessenabteilung des Marktes. Aufgespiesste Engerlinge, riesige Flugkäfer und fette Heuschrecken liegen frisch frittiert bereit. Aber es gibt auch Kobras und Skorpione – vor nichts, was kreucht, fleucht, sich braten, einlegen, backen, kochen oder frittieren lässt, wird zurückgeschreckt. [...] Nur Tiere, die süss und niedlich sind und die man liebt, haben eine Chance, dem Hackebeil zu entgehen, etwa Schosshündchen oder Singvögel.

In meiner Begeisterung, nicht mehr allein reisen zu müssen, [...] bemerkte ich fast nicht, dass sich meine Reisen in Nagenders Anwesenheit verändert hatten. Ich fand mich in einem Duo wieder, das plötzlich einen Teil der Zeit, die eigentlich dem Entdecken und der Neugier auf Land und Leute gewidmet ist, mit sich selbst beschäftigt war. Das ist menschlich und wäre nicht zu bedauern, würde nicht gleichzeitig der Kontakt zur Bevölkerung darunter leiden.

Im Land der Khmer

Weil Rachegelüste schlechtes Karma verursachen und die Harmonie stören, weil nichts wichtiger ist, als das Gesicht zu wahren, wird die grösste Beleidigung, die schlimmste Schmach, selbst der Tod eines geliebten Bruders mit einem Lächeln quittiert. Mir bleibt das Lächeln im Halse stecken, ich bin ratlos. Wie soll ich darauf reagieren? Ich kann wohl kaum über den Tod seines Bruders lachen und weiss nicht, ob Betroffenheit und Mitleid die richtige Reaktion ist.

Ungewohnt ist das prompte Schmatzen der Schweine nach dem Stuhlgang, das mich für einen Moment überlegen lässt, Vegetarier zu werden.

Phnom Penh, eine ganze Stadt in Feierlaune

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Geister, Götter und Dämonen

Kambodschaner haben fürchterliche Angst vor den umherirrenden Seelen Verstorbener, die Böses anrichten können. Gefährdet sind vor allem diejenigen, die eines unnatürlichen Todes gestorben sind. Für sie muss besonders gründlich geopfert werden.

"Zuladung" ist in Kambodscha ein dehnbarer Begriff

Ohne den [Helm] ist man für Polizisten Freiwild und von Weitem gut als Sünder auszumachen. Damit erschöpft sich auch schon der Sinn des Kopfschutzes.

In der Tat, unser skurriles Auftreten wirft bei Kambodschanern Fragen auf. Ist jemand des Englischen mächtig und neugierig genug, müssen wir erklären, warum ein Inder und ein Deutscher in einem kambodschanischen Tuk-Tuk durch die Gegend fahren.

Wegelagerer in Uniform

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Angkor – in Stein gehauene Harmonie

Was wäre der Erfolg wert ohne die Option des Scheiterns – nichts, er würde seinen Reiz, seine Grösse und Einmaligkeit verlieren.

Die Spinnen von Skuon

Als die acht Beine abgeknabbert sind, verlässt mich mein Mut. Der Körper ist, nun ja, noch blutig und leckt an der Stelle, wo ich die Beine herausgerissen habe. [...] Und wieder habe ich etwas gelernt: Vogelspinnen lassen sich schwer garen. Ist der Körper durch, sind die Beine verkohlt – sollen die Beine essbar sein, bleibt der Rest roh.

Unsere erste Nacht am Ufer des Mekong

"Ich hatte auf dieser ersten Reise etwas Wichtiges gelernt. Die Behinderung beginnt im Kopf. Aber nur weil jemand sagt, dies oder das kannst du nicht, muss das noch lange nicht stimmen. Diese innere Barriere, die zusätzlich behindert, musste ich überwinden."

Eine gigantische Sackgasse

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Laos, eine weitere Kleptokratie

Phantasie im Erfinden neuer Einnahmequellen haben die Grenzbeamten, das muss man ihnen lassen.

Einmal Robinson sein

Auf der Suche nach einem Hotel wenden wir unsere Sauber-geht-vor-Strategie an: Wer äusserlich mehr hermacht, der geht hinein. Meistens muss ich draussen bleiben, weil ich beim Kurbeln schmutzig werde und der Mensch an der Hotelrezeption bei meinem Anblick einen Schock erleiden könnte, in dessen Folge plötzlich alle Zimmer aus Angst um das Interieur belegt sind.

Streubomben, heimtückische Ausgeburt der Waffenindustrie

"Wusstest du, wie gefährlich diese Bomben sind?" - "Nein, in unserer Gegend sind im [Vietnam-]Krieg nicht viele Bomben heruntergekommen. Die findet man selten. Daher wusste ich nicht, wie Bomben aussehen und griff nach ihr, um sie aufzumachen. Da ist sie explodiert. Ich war bewusstlos und bin erst zu Hause wieder zu mir gekommen. Da war alles schwarz. Heute habe ich keine Hände mehr und bin blind."

In den Augen der Menschen, denen ich bisher begegnet bin, muss ich von allen guten Geistern verlassen sein. Eine Behinderung wird als Konsequenz schlechten Karmas angesehen. Daher sitze ich im Rollstuhl gerade die Strafe ab für Schandtaten aus meinem letzten Leben.

Statt Buddha-Park wäre vielleicht Park der ausufernden Phantasie der treffendere Name, den Buddha befindet sich hier in Gesellschaft bizarrster Fabelwesen. Würden die Betonfiguren den Glauben der Laoten widerspiegeln, wären wir in einem Land voller Hindus, Buddhisten und Anhänger von Horrorfilmen.

Als Passagier im Torpedo

Sein Lächeln wirkt gequält. Es ist die Angst des Nichtschwimmers vor dem Wasser und die Vorahnung eines plötzlichen Kenterns. All das macht mich nicht gerade zuversichtlich. Viel besorgniserregender finde ich die Tatsache, dass uns Helme ausgehändigt wurden. Denn in diesem Teil der Erde werden Helme nur getragen, wenn höchste Lebensgefahr droht.

Allein durch China

Wenn ich mich auf Leute verlasse, die hier eventuell zuständig sein könnten, wie die Fahrer und der Kartenkontrolleur, wäre ich verloren. Sie rühren keinen Finger. Schliesslich gibt es Hierarchien, die es zu beachten gilt. Fürs Gepäcktragen werden sie nicht bezahlt. Damit das jeder sieht und von vornherein niemand auf die dumme Idee kommt, ihnen einen Koffer in die Hand zu drücken, haben sie dem Wachstum ihrer Fingernägel freien Lauf gelassen.

Lost in Translation

Beim Betreten des Zimmers werden meine geringen Erwartungen an den Standard dieser Bleibe weit unterboten. Diesem Hotel müsste man Sterne mit einem Minus davor geben. Ein Minus für die vielen Kakerlaken, eins für die apokalyptische Toilette im Hof und eines für das Bett mit strohgefüllter Matraze.

Nebel in den Bergen – Fotografenpech

Heute steht zweifellos der beste Freund des Menschen auf der Speisekarte. Schnauze, Wedel und Pfoten lassen keine andere Vermutung zu. Weil man der Meinung ist, Hund wärmt während der kalten Wintermonate, ist jetzt Saison.

Eines kann ich sagen, im Vergleich zu Vogelspinne ist Hundesuppe schmackhafter, besser bekömmlich und macht wenigstens satt.

Jao Lan – Nebel in den Bergen bringt Glück

Ich war damals der Überzeugung, dass öffentliche indische Toiletten das Schlimmste wären, was einem Menschen widerfahren kann. So muss es im Vorhof der Hölle sein. China belehrte mich eines Besseren.

Nach einem Schnellkurs in Linguistik weiss ich nun ausserdem, dass man ausländischen Markennamen nicht einfach chinesische Schriftzeichen zuordnen kann. Unbürokratisch wird daher BMW in Baoma, kostbares Pferd, und Mercedes Benz in Benchi, Schnell-und-sicher-Fahren, umgetauft.

Chinesen und der Tourismus, eine unheilige Allianz

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Eine folgenschwere Entscheidung

Es ist ein Menschenzoo und Vergnügungspark, wie sie massenhaft aus dem Boden spriessen. Zu den absurdesten Auswüchsen dieser Art gehört das Zwergenreich, gleich hier hinter den Bergen. Da haben sich Hunderte von Kleinwüchsigen zusammengetan, um in Märchenhäusern zu wohnen und sich in einer täglichen Show vor mehreren Tausend Zuschauern das Lachen über ihre Behinderung bezahlen zu lassen. [...] Niemand hat ein Problem damit. Im Gegenteil, man ist sie los, ohne vom schlechten Gewissen geplagt zu werden.

Abschied von Catleen

Am Ende wird uns eine ganz besondere Spezialität angeboten, die es nur in dieser Saison gibt und die nicht einmal auf der Speisekarte verzeichnet ist: eine Suppe, in der zwei vier Zentimeter lange Raupen schwimmen, aus denen ein ebenso langer, dünner Pilz herauswächst.

Lebensgefahr im Tunnel

Es ist in dieser Kategorie Fressbuden üblich, abgenagte Knochen, Hühnerfüsse, die nichts mehr hergeben, und überhaupt alles nicht Essbare auf den Boden zu spucken. Zum guten Ton gehört ebenso lautes Einspeicheln der Nahrung, Suppeschlürfen, Kleckern auf Tisch und Boden sowie den Teller nicht leer zu essen.

Der Kormoranfischer und seine Vögel

Irgendwann muss ein dummer Tourist diesem Mann Geld gegeben haben, damit er ihn bei seiner Arbeit knipsen kann, und das war das Ende seines Daseins als Fischer und sein Einstieg in die Tourismusbranche.

Lijiang

Mit der gleichen Radikalität, mit der in China Altstädte niedergerissen werden, um an ihre Stelle Wolkenkratzer zu pflanzen, erklärte der Staat Lijiang zum Tourismusmagneten. Die Gebäude wurden restauriert, der Verkehr aus der Stadt verbannt und den Bewohnern das Tragen ihrer Trachten dringend ans Herz gelegt.

An der Grenze meiner Leistungsfähigkeit

Mit dem Müssiggang ist es vorbei, es wird steil. [...] Zum ersten Mal schalte ich in den untersten Gang. Für einen Meter Strecke benötige ich drei Kurbelumdrehungen. [...] Der Tacho zeigt bei dieser "Geschwindigkeit" nichts mehr an, weil er nicht weniger als einen Stundenkilometer errechnen kann.

Gan-bei, lasst uns die Gläser trocknen!

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Tibet ist atemberaubend

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Ich gehe fast vor die Hunde

Eine Gefahr hat Hu allerdings vergessen zu erwähnen. Die Hofhunde der Bauern. Furchterregende Tibetmastiffs, die, wenn sie mich erspähen, wie von Sinnen an ihrer Kette reissen.

Die Lage kann noch so misslich sein, immer gibt es einen Grund, sich darüber zu freuen, dass es nicht schlimmer gekommen ist.

Ein Pilz durchkreuzt meinen Plan

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Doujie – meine letzte Hoffnung

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Bei tibetischen Yakbauern

Wären Gesichtsfalten ein Massstab für das Alter, hätte sie mindestens hundertfünfzig Jahre auf dem Buckel.

Am Ende aller Wege

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Das Ziel

Was unter normalen Umständen funktioniert, ohne einen Gedanken daran zu verschwenden, wird hier oben zu einer Tätigkeit, für die regelmässig eine Pause eingelegt werden muss. Dennoch reicht das nicht. Es bleibt das Gefühl, beim Atmen zu kurz zu kommen.

Trotz allem bin ich Lichtjahre davon entfernt, mit dem Pferd eine Einheit zu bilden oder mit ihm gar zu harmonieren. Ich hänge vielmehr wie ein angeschossener Cowboy auf dem Gaul. Reiten geht anders. In den kommenden Stunden besteht meine Haupttätigkeit darin, nicht herunterzufallen.

Nichts wäre schlimmer als ein Sturz, bei dem sich jemand ernsthaft verletzen würde – an diesem Ort, eine Siebentagereise zu Fuss und im Jeep von der nächsten ärztlichen Hilfe entfernt.