Hybris

Die überforderte Gesellschaft

von

  • Buch auf Amazon
  • ISBN: 978-3549074480
  • Mein Rating: 6/10

In Hybris beschäftigt sich der Autor mit der Selbstüberschätzung und Masslosigkeit in zahlreichen Bereichen der (westlichen) Welt.

Mein Eindruck von Hybris ist zwiespältig. Auf der einen Seite hat mir das kritische Hinterfragen der aktuellen Situation in Bereichen wie Bildung, Arbeit, oder Globalisierung, gut gefallen. Doch leider hat sich der Autor etwas zu viele Bereiche vorgenommen. Ich hätte mir gewünscht, er hätte sich auf einige wenige Bereiche beschränkt, diese dafür aber umso vertiefter betrachtet. Nicht besonders zugesagt hat mir der Schreibstil, ich fand ihn zu polemisch.

Meine Notizen

Prolog

Nach dem Wofür und Wohin wird kaum noch gefragt. Die Hauptsache ist, dass es vorangeht beziehungsweise dem Fortschrittswahn genügt wird. Das Ziel interessiert nicht.

Türme von Babylon

Für ihre Mobilität erbringen Menschen im Bewegungsrausch Opfer, die sie in nüchternem Zustand vermutlich nie erbringen würden. Eines dieser Opfer ist der weitgehende Verzicht auf menschengemässe und menschenwürdige Siedlungsformen, wie sie vor Beginn der Mobilitätsorgie die Regel waren. Alles, was heutige Städte in entwickelten Ländern für sich verbuchen können, ist mehr Licht und Luft in den Wohnquartieren und eine ausserordentliche Verbesserung hygienischer Verhältnisse. [...] Zugleich sind sie jedoch von Lebensräumen für Menschen zu Verkehrsräumen für Fahrzeuge mutiert.

Solange die Menschen mobil sind, können sie den Nebenwirkungen ihrer Mobilität nicht entkommen.

Das ist der Segen und Fluch des mobilen Menschen: In Windeseile kommt er überall hin, doch wo er hinkommt, wird es sogleich unwirtlich. Also jagt er weiter der "Natur" und "natürlich-herzlichen Menschen" hinterher, die ihm als Kontrastprogramm zu seiner eigenen geschundenen und verhunzten Umwelt wieder und wieder in Aussicht gestellt werden.

Schon bei der Beantwortung der Frage, was Bildung denn eigentlich sei, gehen die Meinungen auseinander. Wie aber sollen dann Bildungsziele definiert werden?

Die Gesellschaft ist darauf eingeschworen, dass viel Beschulung gut und mehr Beschulung besser ist. Welche Wirkungen etwas weniger Beschulung haben könnte, wagt niemand mehr zu bedenken. Das könnte die festgefügte Glaubenswelt einer Gesellschaft, die in Schule vom Kindergarten bis zur Universität den Königsweg und wahrscheinlich sogar den einzigen Weg zur Bildung sieht, erschüttern.

Die Erwerbsarbeit ist ein seltsam Ding. Wer es nicht hat, leidet nicht selten darunter. Wer es hat, sehnt sich nach dem erwerbsarbeitsfreien Wochenende, dem Urlaub und dem Ruhestand.

Menschen- und Arbeitnehmerrechte, Umwelt- und Sozialstandards oder Datenschutz und Demokratie? Kein wackerer Politiker, der sie nicht hochhalten würde. Nur wenn sie in Konflikt mit wirtschaftlichen Interessen geraten, muss die Sache überdacht werden.

Himmel auf Erden

Der Fortschritt. Er ist das wahrscheinlich wichtigste Substitut, das die Gesellschaft nach dem Verlust transzendenter Ziele anzubieten hat. Nur fällt es ihr schwer zu sagen, was damit gemeint ist. Dazu müsste sie zumindest wissen, was vorne und was hinten ist. Denn nur dann wäre ein Voranschreiten möglich. Doch das weiss sie nicht. Dafür bräuchte sie ein Ziel. Das aber gibt es nicht.

Was für ein Paradox: Das Umweltbewusstsein verbessert und die Lebensgrundlagen verschlechtern sich. Wie ist das möglich? Der banale Grund: Zwischen Bewusstseins- und Handlungsebene liegen Welten. Das eine zu denken und etwas anderes zu tun ist menschlich.

Die Kunst der Beschränkung

In der Beschränkung zeigt sich erst der Meister.

Johann Wolfgang von Goethe

Wenn Menschen am jeweils Bestehenden zweifeln, entsteht der Humus für neue Ideen und das Substrat, auf dem Lehrmeinungen und Glaubenssätze, Ideologien und Systeme und selbst Staaten und Kulturen schlussendlich zu Geschichte werden.

Es sind vor allem Nichtigkeiten, denen in Überflussgesellschaften grösste Bedeutung zuerkannt wird.

Ein Staat, der Versprechungen macht, die er mangels Mitteln nicht einzuhalten vermag, verliert erst das Vertrauen und dann den Respekt der Bürger.