F

von

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  • ISBN: 978-3498035440
  • Mein Rating: 6/10

In F erzählt der Autor von den drei Brüdern Martin, Eric, und Iwan, die alle in einem gewissen Sinne Betrüger sind: Martin ist ein katholischer Priester, der nicht an Gott glaubt; Eric ist ein Vermögensverwalter, der das Geld seiner Kunden verspekuliert hat; und Iwan ist ein Kunstkenner und Maler, der seine Werke unter dem Namen seines bekannten Lebensgefährten veröffentlicht.

Die Einzelteile von F haben mir gefallen und sind gut geschrieben (mit Ausnahme von "Familie", welches einfach eine Kurzbeschreibung der (männlichen) Vorfahren über zahlreiche Generationen hinweg ist). Gelungen fand ich besonders, wie der Autor das schizophrene Verhalten von Eric und den Tod von Iwan beschreibt. Nicht überzeugt hat mich jedoch das Ganze, da hatte ich das Gefühl, dass irgendetwas fehlt, etwas, dass aus den Einzelteilen eine Geschichte formt.

Zitate aus dem Buch

Der grosse Lindemann

Eric hatte schon früh gewusst, dass er anders sein wollte als sein Vater. Er wollte Geld verdienen, er wollte Ernst genommen werden, er wollte nicht jemand sein, den man insgeheim bedauerte. Deshalb hatte er am ersten Tag in der neuen Schule den grössten Jungen der Klasse angegriffen, ohne Warnung natürlich, die Überraschung hatte ihm den nötigen Vorteil verschafft: Eric hatte ihn zu Boden gestossen, dann hatte er sich auf ihn gekniet, ihn an den Ohren gepackt und seinen Kopf dreimal auf den Fussboden geschlagen, bis er den Widerstand erlahmen fühlte. Dann erst, um des Effektes willen, hatte er ihm einen gutgezielten Schlag auf die Nase versetzt, Nasenbluten verfehlte nie seine Wirkung.

Einen, der wirklich auf sein Ziel losging, hielt keiner auf.

Iwan fragte sich oft, wie Leute, die nichts Besonderes konnten, das Dasein eigentlich ertrugen.

Das Leben der Heiligen

Dröhnend hebt die Orgel an: Wir loben dich, wir preisen dich. Ich verfehle die meisten Töne, aber das gehört zu meinem Beruf, fast alle Pfarrer singen schlecht.

Am liebsten würde ich sie umarmen, aber ich bin dick und schwitze, es würde ihnen nicht gefallen.

"Manche Dinge muss man wieder versuchen. Wieder und wieder. Trotz aller Niederlagen. Du denkst, es geht nur dir so, aber so ist es für alle. Es ist absurd, trotzdem weiterzumachen. Aber trotzdem macht man weiter."

Sie war ein liebenswürdiges Mädchen, klug und warmherzig, aber alles an ihr war fett: Gesicht, Waden, Körper, Hände. Und ich, der noch nicht ahnte, wie ich selbst einmal aussehen würde, blickte so spöttisch auf sie herab wie alle anderen.

"Ich habe eine Frau und eine Freundin. Beide wissen voneinander, aber sie wissen nichts von meiner zweiten Freundin, die aber von ihnen beiden weiss. Dann habe ich noch eine dritte Freundin, von der sie alle nichts wissen. Sie weiss von den anderen auch nichts, sondern denkt, ich lebe allein."

Familie

Als es geboren war, hatte das Kind dunkle Haut, aber er selbst war doch weiss wie Schnee, und seine Frau war es auch, also hatte sie ihn betrogen. Er schrie, sie weinte, er brüllte, sie schwor, er rief den Herrgott an, sie tat es auch, mit letzter Kraft verstiess er sie.

Im Hafen von Hamburg lag er mit einer Frau im Bett, er wusste ihren Namen nicht und sie nicht seinen, ja eigentlich mochte er gar keine Frauen, aber sie sah aus wie ein Mann, das half.

Bei Lüttich verlor er drei Finger, vor Antwerpen ein Ohr, bei Prag eine Hand, wenn auch leider nicht jene, der schon die Finger fehlten.

Bei Ulm bezichtigte ihn ein Kaufmann, er habe ihm Geld gestohlen, und das war auch so, doch er wusste, dass man nur schneller rennen musste als die Dummköpfe, dann drohte einem nichts.

Viel wusste er nicht mehr von der Nacht zuvor, die Welt schien schmaler geworden, ein Stück fehlte, und als er an der Nase emportastete, in Richtung des Schmerzes, kam er dahinter, dass ein Auge fehlte. Kurz war er erschrocken, doch dann lachte er. Welch guter Zufall, dass ihm bloss das passiert war und nichts Schlimmeres, denn der Augen hatte man zwei.

Geschäfte

Auch ich hätte das malen können. Ich weiss, dass ich diesen Satz nicht denken soll, er ist streng verboten, aber ich kann mir nicht helfen, auch ich hätte das malen können, keine fünf Minuten hätte ich gebraucht! Stattdessen habe ich siebenhundertfünfzigtausend Euro dafür bezahlt, aber ein Mann in meiner Position muss nun mal ein sehr teures Gemälde besitzen [...].

"Gut gelernt? Gut vorbereitet?" Sie zuckt die Achseln, als würde sie nicht glauben, dass mich das interessiert. Das kränkt mich. Denn obwohl es mich wirklich nicht interessiert, tue ich mein Bestes, um mich so zu verhalten, als wäre es mir wichtig.

Während er auf das Lenkrad klopft und schimpfend dahin und dorthin zeigt, frage ich mich zum tausendsten Mal, wie ich ihn loswerden soll. [...] Die einzige Möglichkeit wäre ein diskreter Mord. Aber wollte ich tatsächlich jemanden töten, wüsste ich niemand anderen als ihn, den ich um Hilfe bitten könnte.

Ich weiss, dass ich verloren habe. Er wird sein Geld zurückverlangen. Und er weiss, dass ich das weiss. Was er nicht weiss, ist, dass ich sein Geld nicht mehr habe.

Wie seltsam, dass ich den ganzen Tag an sie denke und doch nur verschwinden will, sobald ich bei ihr bin.

"Investieren ist Wetten mit günstigen Chancen."

Von der Schönheit

Indem man stolz ist, lässt es sich aushalten, mittelmässig zu sein.

Ich wünschte, ich könnte ein Taxi rufen, aber leider gibt es keine Telefonzellen mehr. Manchmal wäre es von Vorteil, wenn ich ein Mobiltelefon hätte.

Jahreszeiten

Mama wusste auch nicht, dass die Brosche, die sie so lange gesucht hatte, neben dem Apfelbaum eingegraben war; Marie und Lena hatten Schatzsuche gespielt und dann die Stelle nicht mehr gefunden. Und dass Marie schon zweimal ihre Unterschrift auf Entschuldigungsschreiben nachgemacht hatte, um mit Georg angeln zu gehen, wusste sie auch nicht. Leider hatten sie keinen Fisch gefangen, weil keiner von ihnen es über sich gebracht hatte, auf den Haken einen Wurm zu spiessen.

Aber Situationen wie diese war sie gewohnt, so war es auch, wenn ihr Vater mit ihr in den Zoo ging: sie tat es für ihn, er tat es für sie, beide wären sie lieber zu Hause geblieben.

"Gott tut keine Wunder! Sobald man mit Wundern anfängt, kann man nicht mehr erklären, wieso er meistens keine tut. Wenn er dich rettet, warum rettet er die anderen nicht? Weil du wichtiger bist?"

"Jeden Tag steht er in diesem karierten Hemd vor mir und sagt, dass Gott eine Finanzkrise geschickt hat, um ihn zu retten."

Jeden Tag zu beichten erforderte Disziplin. Manchmal hatte man nichts getan und musste etwas erfinden, aber die Mühe lohnte sich: Frei von Schuld ging man durchs Leben, schwerelos wie ein Neugeborenes, und brauchte kein Strafgericht zu fürchten.

Er wollte den zerfallenden Schneeball irgendwohin schleudern, aber es gab kein Ziel. Marie sah mit einem Mal zu erwachsen aus, als dass man sie bewerfen konnte, und auf ihren grässlichen Freund wollte er auch nicht zielen – wenn man den ins Gesicht traf, entstand womöglich eine peinliche Situation. Martin durfte er auch nicht mehr bewerfen, jetzt, wo der seine Priesterkleidung trug. Also zielte er auf den Messdiener.