Der Wüstengänger

Meine Reisen durch die Sandmeere der Welt

von

  • Buch auf Amazon
  • ISBN: 978-3890294018
  • Mein Rating: 7/10

In Der Wüstengänger beschreibt der Autor drei seiner Wüsten-Expeditionen. Zuerst geht es zu Fuss mit einer Kamelkarawane durch die Takla Makan, dann mit Fahrzeugen durch die Sahara, und schliesslich im Alleingang zu Fuss durch die Gobi.

Ich fand Der Wüstengänger ein faszinierendes Buch über eine mir komplett fremde Welt, da ich bisher noch nie in einer Wüste war. Hätte gerne noch etwas ausführlicher sein können...

Meine Notizen

Der Wüste begegnen

Die Reduktion auf wenige Elemente wirkte wie Balsam auf die geplagte Seele. Ich fühlte mich frei, losgelöst von all den Zwängen und kleinlichen Sorgen des Alltags, die den Geist terrorisierten. Wie berauscht lief ich immer weiter in die Wüste hinein.

Die völlige Abwesenheit vertrauter Geräusche verstärkte noch den Eindruck, in andere Welt geraten zu sein. Wenn mich in diesem Moment jemand gefragt hätte, was denn nun die Erfahrung in der Wüste sei, dann hätte ich ohne zu zögern geantwortet: Licht, Sand und Stille. Es gibt nur den klaren blauen Himmel mit seinem Überfluss an Licht. Es gibt den Sand, den der Wind zu immer neuen Formen modelliert. Und es gibt die grosse Stille. [...] Die Stille der Wüste ist nicht von der Art Stille, die man empfindet, wenn man in die Natur geht. Am Wasser, im Wald, im Gebirge, überall gibt es Geräusche. In der Wüste jedoch herrscht eine Art Endzustand der Materie, der kein Geräusch mehr verursacht. [...] Es ist eine Stille, die einen den Quellen des Lebens näherbringt, denn man hört nichts als den eigenen Pulsschlag und Atem.

Die Wüste lässt sich nur im Gehen erfahren. Mit einem Fahrzeug käme man zwar schneller voran, sähe aber weniger. Die Wüste wäre dann nur noch Wegwerfwüste, nichts weiter als eine rasante Abfolge vorbeihuschender Eindrücke. Der Motorlärm würde die Stille vertreiben, und von der grenzenlosen Weite bliebe nur ein Ausschnitt in der Windschutzscheibe übrig.

Minimierung der Ansprüche ist Optimierung der Freiheit, Reduktion ist Gewinn.

Otl Aicher

Ein Liter Wasser ist in der Wüste nicht ein Liter, sondern die Menge, die für so und so lange reicht.

Tausendmal schlimmer als der Sandsturm war das Warten, dieses ohnmächtige Gefühl, nichts tun zu können, als zu warten.

Kann man etwas lieben, das stark genug ist, einen umzubringen, das sich weder bezwingen noch besitzen lässt – bestenfalls vielleicht verstehen?

Takla Makan – Todeswüste voller Leben

Der Wüste begegnen heisst für mich, sie mit allen Sinnen zu erleben. Sie spüren, schmecken, hören und sehen.

Die Ebene vor mir dehnt sich scheinbar endlos bis zum Horizont aus. Jeder Blick nach vorne ist eine Niederlage, weil er mir das Gefühl gibt, auf der Stelle zu treten.

Das Gefühl, inmitten der Wüste zu sein und dabei gleichzeitig im Wasser zu schwimmen, ist geradezu unwirklich.

Zu Hause, wo es Wasser im Überfluss gibt und man lediglich den Leitungshahn aufzudrehen braucht, ist es zu etwas Selbstverständlichem geworden, viel zu banal, um daran noch einen Gedanken zu verschwenden. Es ist immer genug davon vorhanden. Hier in der Wüste wird schnell klar, was Wasser bedeutet. Es ist nicht nur unsere Lebensgrundlage wie die Luft zum Atmen. Es ist das Leben!

Schätze im Wüstensand

Andererseits hat mich der Umgang mit Chinesen gelehrt, dass eine ablehnende Haltung kein endgültiges Nein bedeuten muss. Ist der eine Weg versperrt, gibt es meistens einen anderen, der zum Ziel führt.

Heutzutage benutzt man in China diese Redewendung ["Der Himmel ist hoch und der Kaiser fern"] für Situationen, in denen man sich der Autorität der Obrigkeit ungestraft entziehen vermag.

Hier in der Wildnis gibt es kein Überangebot an menschlichen Begegnungsmöglichkeiten wie bei uns, und man geht Fremden nicht aus dem Weg, sondern auf sie zu. Gastfreundschaft ist weder ein sinnentleertes Höflichkeitsritual noch ein "Wer hat mehr zu bieten?"-Gesellschaftsspiel. Sie ist so selbstverständlich wie Essen und Trinken, stellt keine Bedingungen und erwartet nichts.

Suchen heisst ein festes Ziel haben, finden aber heisst offen sein.

Niemand kann in der Wüste sein und davon unberührt bleiben.

Mein Gehtempo ist schneller als das der anderen. Das hat den Vorteil, dass ich mit niemandem reden muss. Ich kann schweigen, mich ganz auf die Umgebung konzentrieren.

Mit der Zeit ist mir der wandernde Schatten so vertraut, dass ich weder eine Uhr brauche, um zu wissen, wie spät es ist, noch den Kompass, der mir die Richtung weist.

Die Wüste zwingt einen dazu, sich von allem zu lösen und alles abzuwerfen, was überflüssig ist. Und man stellt fest, dass so gut wie alles überflüssig ist.

Edmond Jabès

Durch die Wüste der Wüsten

Es scheint, als hätten die Tschader von ihren ehemaligen Kolonialherren vor allem eines gelernt: die Bürokratie in ein kaum vorstellbares Mass aufzublähen. Für eine simple Wüstenreise ins Tibesti sind die Unterschriften mehrerer Minister, des ranghöchsten Militärs und des Präsidenten selbst notwendig.

Oasen sind fragile Gebilde. Gärten und Bewässerungsanlagen bedürfen ständiger Pflege, sonst fallen sie bald der Wüste anheim.

Ungewöhnlich ist die Arbeitsteilung bei den Tubu. Während der Hausbau ausschliesslich Frauensache ist, nähen die Männer die Kleidung.

Niemals würde ein Nomade sein Kamel überladen, aber bei einem motorisierten Fahrzeug kennt man keine Hemmungen.

Wenn es auf der Welt einen Ort gibt, der einem die ganze Sinnlosigkeit, ja Absurdität des Krieges vor Augen führt, dann hier. In einer Umgebung, die so unfruchtbar wie der Mond ist, stehen Panzer in allen Gefechtspositionen, explodiert und ausgebrannt.

Sucher in der Wüste

Im Widerspiel des scheinbar Unmöglichen mit dem Möglichen erweitern wir unsere Möglichkeiten.

Ingeborg Bachmann

Wer mit nichts in die Wüste hineingeht, so mein Credo, wird als er selbst zurückkommen – oder gar nicht.

Als Sologänger bin ich vom ersten Schritt an am Limit, und im Idealfall werde ich mit dem letzten Tropfen Wasser immer die jeweils nächste Wasserstelle erreichen.

Wer im Leben ein grosses Ziel erreichen will, braucht eine Vision, denn die Vision generiert die Motivation. Die stärkste Motivation, die wir Menschen besitzen, ist die Begeisterung. Nicht der Wille, sondern die Begeisterung ist die Berge versetzende oder Flügel verleihende Kraft. Begeistern kann mich nur etwas, womit ich mich identifizieren kann – die sinnstiftende Vision eben. Sie ist umso stärker, wenn es gelingt, sie mit Bildern zu unterfüttern. So lässt sich die Macht der Bilder für unsere Ziele nutzen.

Gobi Solo

Die Bewohner von Monggon Bulag stehen vor der Herausforderung, am Rande einer der schönsten Wüsten wohnen zu müssen, und sie meistern diese Herausforderung bravourös, indem sie sich mit den hässlichsten Bauten umgeben, die man sich vorstellen kann.

Immer und immer wieder ging ich jeden einzelnen Gegenstand meiner Ausrüstung durch, achtete dabei auf jede noch so kleine Einzelheit, denn ich weiss, bei dem, was ich vorhabe, darf ich mir keinen Fehler erlauben. Die Wüste verzeiht keine Fehler, weder in der Vorbereitung noch in der Durchführung.

In der Wüste ist tagsüber Sommer und nachts Winter. Ich muss mit Temperaturschwankungen von 40 bis 50 Grad zwischen Tag und Nacht rechnen.

Eine einzige Wasserstelle, die ausgetrocknet ist, würde das Todesurteil bedeuten. Das GPS-Gerät garantiert mir, dass ich die darin eingespeicherten Wasserstellen punktgenau ansteuere, aber es kann mir nicht sagen, ob es dort noch Wasser gibt. Brunnen können versiegen, Oasen verschwinden.

Zu meiner Ausrüstung gehört weder ein Satellitentelefon noch ein Gerät, um ein Notsignal abzusetzen. Einen doppelten Boden einzubauen erscheint mir widersinnig. Ausgesetztheit, im Sinne von Auf-sich-allein-gestellt-sein, halte ich für eine wesentliche Voraussetzung, um eigene Grenzen zu überwinden. Wir Menschen sind so geprägt, dass wir nur dann an unsere Grenzen gehen, wenn wir müssen. Nur wenn es keine andere Möglichkeit gibt, sind wir bereit, unser ganzes Potenzial hervorzubringen, vielleicht uns dessen sogar erst gewahr zu werden.

Wer die Last trägt, der weiss, wo sie drückt.

Nepalesisches Sprichwort

Zweimal im Jahr macht sich Gao auf den Weg zum nächsten Supermarkt – was eine Karawanenreise von sieben Tagen für die einfache Strecke bedeutet.

Alles, was im Überfluss vorhanden ist, wird banal.

Ich hoffe auf nichts, ich fürchte mich vor nichts, ich bin frei.

Nikos Kazantzakis